Es macht Sinn, bei der Konstruktion eines Boxermotors auf bewährte Komponenten eines erfolgreichen Einzylinder-Triebwerks zurückzugreifen. Im vorliegenden Fall sind das die Zylinder. Das ist aber nur die halbe Miete. Folgerichtig sind die weiteren Komponenten des neuen MVVS 175 NP auf die Belange eines solchen Triebwerks zugeschnitten. Alltagstauglichkeit und Anwenderfreundlichkeit waren weitere Aspekte bei der Konstruktion und spiegeln sich beispielsweise in der Vergaseranordnung wider.MVVS steht für Modelářské výzkumné a vývojové středisko, was soviel bedeutet wie Zentrum für Modell-Forschung und Entwicklungen. Gegründet 1952, diente dieses Zentrum einzig dem Zweck, Hochleistungsmotoren für eigene Wettbewerbsteilnehmer herzustellen. Nach einer Phase der marktwirtschaftlichen Orientierung beschäftigte sich MVVS ab 2001 besonders mit dem Ausbau des Geschäftspotentials über den reinen Modellflugbereich hinaus und erweiterte damit erheblich die Fachkompetenz beim Motorenbau (z. B. mit Drohnenantrieben für Forschung, Militär, etc.). Mit sämtlichen Produkten liegt man im absoluten Hochleistungsbereich.
Der Modellflugbereich mit 2T-Benzinern und Brushless-E-Motoren ist aber immer noch das Hauptsegment und wird ständig erweitert. Es gibt also keinen Stillstand, und darauf achtet besonders der seit 2011 eingesetzte Geschäftsführer Tomas Kotrbaty, selbst passionierter Modellflieger und mit der Szene bestens vertraut. Er modernisierte nicht nur Strategie und Ausrichtung, sondern brachte gleichzeitig frischen Wind in die Produktionsreihen. An den Bedürfnissen der Modellflieger ausgerichtet, war die erste Maßnahme, mehr Optionsvielfalt bei den Antrieben für immer größere Modelle, elektrisch wie benzinbetrieben, zur Serienreife zu entwickeln. Das umfasst auch das umfangreiche Zubehörpaket, das immer zu diesen Motoren gehört.
Beweggrund für das neue Triebwerk war die Forderung nach immer mehr Kraft im Antrieb großer Modelle. Leicht hätte man einfach die Grundkonstruktion des bewährten 157er für einen noch hubraumstärkeren Motor übernehmen können. Die Techniker bei MVVS haben jedoch einen anderen Weg eingeschlagen. Der Wunsch der Modellflieger nach schnellem und einfachem Einbau des Motors in ein Modell priorisierten die Positionierung des Vergasers unterhalb des Kurbelgehäuses exakt zwischen den beiden Zylindern. Entsprechende Motorenvarianten mit dieser Vergaseranordnung und Flatterventil hat man für die hubraumkleineren Versionen ohne Leistungsverluste realisiert. Für den neuen 175 NP Boxer hat man ob der Einbauposition des Vergasers einen Kompromiss gewählt und ihn zwischen die beiden Auslassöffnungen der Zylinder gesetzt. Damit kann er weiter problemlos in z. B. die großen Kunstflugmaschinen à la Extra, Edge und Co. eingebaut werden und zielt dabei auf die Klasse »Drei Meter plus«. Beim Vergaser gibt es keine Überraschung: Ein millionenfach produzierter Walbro kommt zum Einsatz, mit praxisgerecht angebrachten Anlenkhebeln zur Ansteuerung von Choke- und Drosselklappe.
Das so genannte Baukastensystem hat bei der Motorenentwicklung ja mittlerweile Schule gemacht. Um einerseits Kosten bei der Entwicklung eines neuen Triebwerks zu sparen, andererseits aber auch, um bewährte Komponenten zu erhalten, werden schon seit langem, auch bei MVVS, aus Einzylindern grundsätzlich auch Boxermotore mit nahezu doppeltem Hubraum produziert. Allerdings nicht ganz so beim neuen 175 NP. Hier wurden zwar die Zylinder des 80ers genutzt, jedoch hätte das nur einen Hubraum von maximal 160 ccm ergeben. Von dieser Klasse gibt es aber schon etliche Motoren, und hier ist MVVS mit dem 157er bereits bestens vertreten. Folglich wurden die Zylinder aufgebohrt und mit einer geänderten Laufgarnitur versehen.
MVVS arbeitet bei der Fertigung der Motoren sehr eng mit der ebenfalls in Brno ansässigen Firma MSR zusammen. Mit modernsten CNC-Maschinen werden hier die Gussteile für Zylinder und Kurbelgehäuse gefertigt und feinbearbeitet. Auch werden hier die Zündanlagen für die MVVS-Motoren hergestellt. Ein Blick auf deren Homepage www.msrengines.eu lohnt sich und gibt Auskunft über die Fertigungsmethoden. Man ist aber auch auf Zulieferer aus dem Ausland angewiesen; so führt eine italienische Firma die Nikasilbeschichtungen für die Zylinderköpfe durch. Auch die Kolben aus einer speziellen widerstandsfähigen Aluminiumlegierung mit hohem Siliziumanteil und Spezialbeschichtung werden aus dem Ausland zugeliefert. Diese Beschichtung erhöht die Gleitfähigkeit der Kolben, ermöglicht engere Passungen und führt letztlich führt zu einer Leistungserhöhung.