Scale-Flug in die Vergangenheit
Mit zunehmenden Alter stellte sich auch bei mir der Wunsch nach Entschleunigung und Vereinfachung ein. Die Jets blieben immer öfter im Keller, wie auch jene Flugzeuge die kompliziert aufzubauen oder schwierig zu fliegen sind. Obwohl größere Modelle oft langsamer zu fliegen und besser in der Luft zu sehen sind, verloren auch diese immer mehr Punkte auf meiner Beliebtheitsskala. Große Scale-Flugzeuge üben einen besonderen Reiz auf mich aus, aber zehn Kilogramm oder mehr von A nach B zu tragen ist nicht lustig. Fügt man das Gesagte zusammen so ist es nicht verwunderlich, dass ich seit ein paar Jahren ein Auge auf die Bleriot XI geworfen hatte. Sie sollte mein erstes Eigenbauprojekt im (Un)ruhestand werden.
Louis Bleriot war ein begnadeter Flugzeugbauer der Im Juli 1909 mit seiner Version XI den Ärmelkanal überquerte. Davor hatte er ziemlich erfolglos zehn andere Flugzeuge gebaut. Die Bleriot war mit einem ziemlich schwachen Dreizylinder-Viertakter motorisiert und hatte zur Steuerung eine Flächenverwindung. Interessanterweise setzte Bleriot auf dieses Steuerprinzip obwohl er in seiner Version VIII schon Querruder verwendet hatte. Er hatte im August 1908 Wilbur Wright in Le Mans mit dem Wright-Flugzeug gesehen und wollte mit der Flächenverwindung auf ein »bewährtes« System setzen.
Nach seinem Erfolg wurden über 800 Bleriot XI in der ganzen Welt, zum Teil auch in Lizenz produziert. In den USA wurde die Bleriot XI mit dem Anzani-Motor zum Preis von 1.850 Dollar angeboten. Harriet Quimby war die erste Frau in Amerika die eine Fluglizenz erwarb, und 1912 als erste Frau in einer Bleriot XI ebenfalls den Ärmelkanal überquerte. Das Flugzeug war auch das erste zum Transport von Luftpost in den USA ab 1911. Die Bleriot XI hatte auch einen großen Anteil am Fortschritt der Luftfahrt durch die Ermöglichung der Pilotenbausbildung. In meiner bayerischen Heimat gab es an der Flugschule in München Oberwiesenfeld im Jahr 1910 bereits drei Bleriot XI. Eines davon gehörte Gustav Otto, dem Inhaber der gleichnamigen Flugzeugmaschinenwerke, und Sohn des Erfinders des Viertaktmotors, Nikolaus Otto.
Louis Bleriot überlebte 32 Bruchlandungen, was ihn auch zu einem Unikum der Luftfahrt machte. Er starb im Alter von 64 Jahren an einem Herzleiden. Von der Bleriot gibt es zum Beispiel ein wunderschönes Modell von Paolo Severin im Maßstab 1 : 4, aber diese erschien mir dann doch etwas zu klein. Ein Format 1 : 3 mit ca. 2,6 Metern Spannweite sollte es sein. Das wäre auch eine gute Größe für den schon länger im Hangar gelagerten Y62 Sternmotor von Dick van der Veldt aus den Niederlanden. Man findet im Internet viele Pläne und detaillierte Bilder der Bleriot im Original oder Nachbau, und das in verschiedenen Maßstäben. Auch kleine Plastikbausätze in 1 : 72 oder 1 : 48 gibt es ab und zu im Angebot. Allerdings wäre es schön gewesen erste Erfahrungen mit einer kleinen flugfähigen Bleriot sammeln zu können, bevor ich mich an die große wagte. Besonders bezüglich der beabsichtigten Flächenverwindung zum Steuern hielt ich eigene praktische Erfahrungen für wichtig.
Das Modell
Es dauerte ein paar Monate, dann entdeckte ich das Angebot einer Bleriot XI im Maßstab 1 : 6. Es handelte sich um einen Baukasten von Marutaka. Das Modell war bereits fertig gebaut und vor allem die Ausführung des Fahrwerks begeisterte. Masahiro Kato war ein erfolgreicher Modellflugpilot und gewann in den 1960er Jahren mehrere Wettbewerbe im Kunstflug. Wie damals üblich, baute er seine Modelle selbst, und wie viele seiner Kollegen gründete auch er eine Firma und vertrieb Modellflugzeuge. Es handelte sich vorwiegend um Kunstflugmodelle, aber es gab auch ein paar Vorbildgetreue. Um sich wieder mehr der Fliegerei zu widmen,
verkaufte er seine Firma schließlich an Marutaka (Osaka, Japan). Diese Firma wurde in den 1970er und 80er Jahren berühmt für ihre Modellflugzeuge. Fast 80 verschiedene Modelltypen wurden entwickelt, viele Jagdflugzeuge und Bomber aus den beiden Weltkriegen, auch Sport- und Zivilflugzeuge, aber meines Wissens nur wenige Segelflugzeuge. Die Qualität der Baukästen hatte einen sehr guten Ruf, und auch die Flugfähigkeit der Modelle begeisterte. In der westlichen Welt wurden die Marutaka-Kits unter dem Namen Royal Marutaka von der Royal Products Corporation in Denver (USA) vertrieben. In Deutschland wurde die Bleriot Ende der 1970er Jahre von Simprop verkauft.
mit einem OS FS 26 Viertaktmotor und drei Standard-Mikroservos ausgestattet. Der Motor war wieder ausgebaut worden. Der Verkäufer ließ sich zum Versand überreden. Das war nur machbar wenn er das Höhenleitwerk demontierte. Trotzdem entsprach das Modell bei seiner Ankunft meinen Erwartungen. Es fehlte zwar ein Cockpit, und es gab keinerlei Spanndrähte an den Tragflächen. Aber der Vorderbau und die Federung der Räder war besser gestaltet als im Originalkit vorgesehen. Der Spanndom war als Doppelstrebe mit Brücke ausgeführt, was es offensichtlich auch beim Original gab.