Nostalgie pur
Im Jahr 2019 hatte ich ein gebrauchtes Oldtimer-Flugzeug gekauft, das der Demoiselle (»Kleinlibelle«) von von Alberto Santos-Dumont ähnlich sah. Angeregt vom klassischen Flugbild und der Entschleunigung am Flugplatz machte mich ein Modellflugkamerad im Frühjahr 2021 auf die Anzeige einer zum Verkauf stehenden Demoiselle aufmerksam. Diesmal handelte es sich um einen vorbildgetreuen Nachbau der Nummer 20 aus einer Reihe von Santos-Dumont gebauten Kleinlibellen.
Der Rumpf des Modells besteht wie beim Original aus Bambusrohren und hat einen dreieckigen Querschnitt. Die Konstruktion des Seiten- und Höhenleitwerks und die Ausführung des Hecksporns aus Federstahl entspricht ebenfalls der Bauweise, die Santos-Dumont für die Demoiselle gewählt hatte. Statt Flächenverwindung gibt es beim Modell allerdings Querruder, diesmal für jede Tragfläche ein separates in die Fläche eingebaut.
Santos-Dumont hatte zur Betätigung der Steuerflächen ein raffiniertes Seilzugsystem mit Steuerknüppel für den Piloten eingebaut. Dadurch war der Platz hinter dem Pilotensitz frei und luftig. Beim Modell ergab sich das Problem, die Elektronik und Servos im nicht vorhandenen Rumpf zu platzieren und so weit wie möglich zu tarnen. Der mir unbekannte Konstrukteur hat dies für Empfänger, Batterien und Schalter sehr gekonnt durch eine Bodenplatte mit darunter liegendem doppeltem Boden bewerkstelligt. Die Anlenkung von Höhen- und Seitenruder erfolgt mit vorbildgetreuem Pull-Pull-System über Standardservos.
Diese befinden sich hinter dem Pilotensitz. Nicht ganz dem Vorbild entsprechend habe ich die Demoiselle zum »Reiseflugzeug« umgestaltet, und einen großen Koffer über die Servos gestülpt. Wie hätte Santos-Dumont diese Idee wohl gefunden? Die Form der Höhenruder in Rautenform mit spitzen Enden ist eigenwillig gestaltet. Die Höhenruderfläche sieht dadurch sehr groß aus. Auf einer alten französischen Postkarte ist diese Form auch zu erkennen. Wie würde sich das auf die Ausschläge und das Flugverhalten übertragen?
Bei der Ermittlung des Maßstabs wurden ein paar Abweichungen zum Original sichtbar, aber insgesamt hatte der Modellbauer wohl an ein Quarter Scale-Modell gedacht. Wie aus der Tabelle entnommen werden kann, liegen die meisten Werte mit einem ¼ Maßstab nicht allzu weit vom Original. Um die Flächenbelastung gering zu halten, wurde die Spannweite des Modells wohl etwas vergrößert. Am deutlichsten weicht die Motorleistung des Modells nach oben ab. Das Original wurde mit einer Reihe verschiedener Motoren befeuert, typisch waren Boxermotoren wie Dutheil-Chalmers mit 24 PS oder Darracq mit 30 PS. Wie schon bei meiner ersten Demoiselle wollte ich einen Boxermotor einsetzen. Im Regal wartete seit etwa 20 Jahren ein Saito FA-100T auf seinen Einsatz. Kein echter Boxer, aber ein Zweizylinder mit gegenüberliegenden Zylindern. Der Schwerpunkt lässt sich mit dieser Motorenvariante mit Leichtigkeit einstellen. …