»Plug and play« ist derzeit der Standard für Gerätschaften im Haushalt und im Hobby. »RTF – ready to fly« der ungebrochene Trend in der Modellfliegerei, quasi auspacken, einschalten, fliegen – einfacher geht es fast nicht mehr. Daneben gibt es aber auch den hohen Anspruch ambitionierter Modellbauer, jegliches Detail und alle Funktionsweisen ihres Flugzeugs oder Motors zu kennen und zu verstehen. Beim Flugzeug wird dieses Ziel durch Bau nach Plan, Eigenkonstruktion und Selbstbau erreicht. Wie sieht es aber bei den Aggregaten aus? Konstruktion und Bau von Verbrennungsmotoren ist nur einer kleinen Schar von Spezialisten mit den dazu nötigen Werkzeugen vorbehalten. Einige Firmen bieten jedoch Motoren zur Selbstmontage an. Auch der österreichische Motorenhersteller Kolm hält diese Option für seine Kunden bereit. Gebrauch davon machte Vereinskollege Andreas Nusser, den ich bei seiner »Operation Boxer« mit Kamera und Notizblock begleiten durfte.
Wenn der Schnee den Flugplatz zum Winterschlaf zwingt, der Wind durch laublose Bäume peitscht und Regen an die Scheibe prasselt, ist Werkstattzeit. Inspektionen, Wartungsarbeiten, Reparaturen von Blessuren der letzten Saison und auch der eine oder andere Neubau stehen im Lastenheft der Piloten. Auch mein Vereinskamerad und passionierter Schlepppilot Andreas (Andy) Nusser hat den Neubau einer Schleppmaschine für die kommende Wettbewerbssaison geplant. Eine 343 cm spannende Piper J3 soll es sein. Aber welcher Motor entspricht dem Einsatzprofil eines Schleppflugzeugs und zieht locker den 20 kg schweren Salto von Schlepppartner Peter Probst auf Höhe? Auf jeden Fall muss es ein Boxer sein – schon wegen der Optik.
Nach akribischen Berechnungen und Abwägungen hat sich Kraftfahrzeugingenieur und TÜV-Prüfer Andy für einen BX 135 Boxer aus dem Hause Kolm entschieden. Nach Fragen über Fragen über Aufbau, Leistung und mögliche Leerlaufdrehzahlen an den Hersteller erfolgte von Hans Kolm eine Einladung zur Option »do it yourself«, die begeistert angenommen wurde. Urlaubsantrag unterschrieben, Auto vollgetankt und das Navi programmiert – und schon waren wir auf dem Weg ins landschaftlich sehr schöne Oberösterreich nach Attnang-Puchheim, dem neuen Firmensitz der Motorenschmiede Kolm.
In seinen neuen, sehr großzügig gestalteten Betriebsräumen begrüßte uns ein lächelnder Hans Kolm und führte uns durch seine »kleine Motorenfabrik«. Beeindruckend waren die vielen prall gefüllten Container mit den Motorenteilen und die Montagelinien für die unterschiedlichen Hubraumvarianten.
Da wir für dieses Projekt nur einen Tag Zeit eingeplant hatten und für den Zusammenbau rund fünf Stunden zu veranschlagen sind, sollte es gleich zur Sache gehen. Als Mentor stand uns Johann Brabetz – ein Urgestein der Fliegerei in Österreich, ob manntragend oder Modell – zur Seite. Zur Zeitersparnis hatte Hannes, wie ihn seine Freunde liebevoll nennen, schon alle Einzelteile fein säuberlich wie zu einem Messedisplay auf der Werkbank angeordnet. Es war eine Freude, den beiden bei der Arbeit zuzusehen und vor allem ihren vertieften Fachgesprächen zuzuhören. Den Aufbau des Motors hier zu beschreiben, würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen. Bilder sagen da mehr als tausend Worte. Nach fast genau fünf Stunden war es soweit: Andy hielt »seinen« glänzenden Boxer in der Hand und fieberte den ersten Startversuchen auf dem Prüfstand entgegen.
Einen ausführlichen Bericht über die Flugerfahrungen lesen Sie in der Ausgabe 2/2013 des MFI Magazins.
Zu guter Letzt
Ein Wort noch zu der Option Selbstbau von Kolm-Motoren: Ziel beim Selbstbau ist das Kennenlernen des eigenen Triebwerks. Unter finanziellen Aspekten sollte man ein solches Unternehmen eher nicht betrachten. Die finanzielle Ersparnis relativiert sich sehr schnell, rechnet man die Anreise, ggf. noch Kosten für Übernachtungen und Essen dazu. Sich alle Teile zum Selbstbau nach Hause schicken zu lassen sei nur dem angeraten, der über viel Erfahrung mit dem Bau und Betrieb von Viertaktmotoren verfügt. Mein Tipp: Verbinden Sie ein solches Projekt mit einer Urlaubsreise in die pittoreske Umgebung der oberösterreichischen Seenlandschaft – und das geht im Rahmen der Familie oder in einer Gruppe gleichgesinnter Modellbaukameraden.