Jeder Modellbauer, den ich so kenne hat so seine kleinen und große Träume, die er sich irgendwann einmal erfüllen möchte, so auch ich. Neben einigen Flugmodellen, die ich noch irgendwann einmal bauen möchte, gibt es natürlich auch die entsprechenden Triebwerke, die unsereins doch immer faszinieren. Für mich ist ganz klar der Sternmotor die schönste Form eines Antriebs, neben den Boxer- und Reihentriebwerken. Der Name Seidel hatte für mich immer einen ganz besonderen Klang. Als Jugendlicher blieben die Sterne aber im Reich der Träume, das nötige Kleingeld war einfach nicht vorhanden.
Im Laufe der Zeit hat sich dann doch der ein oder andere Fünfzylinder-Stern in meiner Werkstatt niedergelassen. Der erste war ein auf Benzin umgebauter Saito 325 mit 50 ccm, der in meinem Hannibal (siehe MFI 2 / 22) nach vielen Attacken von Murphys Gesetz endlich in die Luft gehen konnte. Auf Anraten von Florian Becker wurde er aber später zugunsten einer besseren Leitung gegen den reinen Benziner Saito FG 73 getauscht wurde. Mittlerweile möchte ich dieses Triebwerk in diesem Modell nicht mehr missen,
aber da sind ja noch des Modellbauers Träume und die Frage wie sich wohl so ein eigener Siebenzylinder anfühlen bzw. anhören mag. Es kam, wie es kommen muss, nennen wir es Bestimmung, Glück oder Zufall, ein Modellbaukollege und Freund, der das Hobby aus Altersgründen nicht mehr sehr aktiv betreiben kann, hatte mir ein wirklich tolles Angebot für seinen schönen 770 Seidel-Siebenzylinder gemacht. Da konnte ich einfach nicht widerstehen. Ich musste diese Vitrinen-Schönheit einfach haben und so wurde ich stolzer Besitzer eines Sternen-Oldtimers. Er hatte dieses gute Stück vor sehr langer Zeit gebraucht erworben, aber nie laufen lassen.
Eigentlich wollte ich keine Methanol-Treiblinge mehr in die Hand nehmen, aber bei diesem Seidel wurde ich einfach schwach, wahrscheinlich war auch das HWT 2022 (siehe MFI 2 / 23) in Röttingen ein wenig schuld, denn ob man nun mit Zündung einen Benzinmotor oder mit einer Glühanlage einen Methanoler fliegt ist eigentlich egal, das Thema »Öl-Sauerei« empfand ich auch nicht mehr so schlimm wie früher. Was ich an diesem Wochenende sehen konnte, gab mir die Erkenntnis, dass die Schmierstoffe mittlerweile richtig gut geworden sind.
Als der Seidel auf seinem originalen Motorständer montiert auf meiner Werkbank stand, lud der gekürzte Propeller natürlich zum Durchdrehen ein. Ich hatte das Gefühl, dass da etwas nicht ganz in Ordnung sein könnte, was sich später auch bestätigte. Als erstes checkte ich mit dem Multimeter alle Glühkerzen. Zwei waren defekt und eine falsch. Auch der Vergaser wurde überprüft, zudem fehlte der Ringschalldämpfer, wenn der Stern in den aktiven Dienst gestellt werden sollte. So ein Motor erfordert natürlich auch ein entsprechendes Modell. Ich hatte da auch schon einen »Klassiker« im Kopf, aber das ist eine andere Geschichte.
So ein »bisschen Stern« kann ich zwar, und bei neuen Triebwerken ist ja auch meist eine reich bebilderte und umfangreiche Bedienungsanleitung dabei. Aber bei so einem Oldie waren meine Fähigkeiten doch zu gering. Also Motorenfachmann Florian Becker anrufen und fragen, ob er sich diesem Schätzchen widmen möchte, da entsprechende Unterlagen nicht zur Verfügung standen. Ein paar Tage später ging das »Sternchen« gut eingepackt nach Melsungen. Im November 2022 erdete ein Anruf mich und meine Sternenträume:
Kipphebelwellen teilweise fest, Vergaser aus der ersten Serie, also ohne Reduzierhülse, somit wohl zu groß, diverse Glühkerzen defekt oder falsch, aber ansonsten wäre der Stern in einem schönen Zustand, so die Bestandsaufnahme von Florian Becker. Kein Wunder dachte ich mir, stand ja wohl sein ganzes Leben in der Vitrine. Aber er schien doch irgendwann einmal gelaufen zu sein. Zwar nicht viel, aber irgendwie hat dieses Triebwerk wohl seine Geheimnisse. Und dann kam die Frage, ob ich den Motor mal durchgedreht habe – erwischt! Aber warum auch nicht, dafür sind die Teile doch …
